Netzwerk Geriatrie
Die Versorgung des älteren Patienten stellt eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung dar. Denn der Trend ist eindeutig: Lebten 2013 rund 4,4 Millionen Menschen in Deutschland, die 80 Jahre und älter waren, so geht man davon aus, dass sich die Zahl bis 2060 verdoppelt. Das bedeutet, mehr Menschen mit Mehrfacherkrankungen und mehr Pflegebedürftige. Hinzu kommt die Tendenz zur Auflösung der traditionellen Familienstrukturen, so dass viele Menschen im Alter einsam sind und niemanden mehr haben werden, der sich um ihre Versorgung kümmert.
Hier sehen wir als evangelische Einrichtungen im Verbund unsere christliche Verantwortung darin, dem älteren Menschen zur Seite zu stehen. Wir wollen ihn auf seinem Weg begleiten vom Tag der Aufnahme im Krankenhaus bis hin zu seiner Weiterversorgung im häuslichen Umfeld, einer Rehabilitationsklinik oder einer Pflegeeinrichtung. Hierfür haben wir 2011 ein Netzwerk geschaffen, in dem alle Partner, die an der Versorgung beteiligt sind, nach einem festgelegten System untereinander in Verbindung stehen.
Gemeinsam bilden wir das EVR Netzwerk Geriatrie im Evangelischen Verbund Ruhr, ein Netz, das die uns anvertrauten älteren Menschen zuverlässig begleitet und auffängt.
Gesellschaftliche Verantwortung
Im Krankenhausgesetz des Landes Nordrhein Westfalen wurde 2015 das Konzept geriatrischer Versorgungsverbünde hinterlegt mit dem Ziel, unter Einbeziehung des ambulanten Bereichs Sektorengrenzen zu überwinden und intensiv zu vernetzen. Dies beinhaltet
- die frühzeitige Identifikation geriatrischer vulnerabler Patienten, die von einer geriatrischen Behandlung profitieren können,
- einen Austausch aller beteiligten medizinischen Disziplinen, die geriatrische Patienten versorgen,
- die Vereinbarung von gemeinsamen Behandlungsabläufen und –standards sowie von Konzepten des Überleitungsmanagements und der regionalen Zusammenarbeit.
Diese Intention des Gesetzgebers bestätigt unsere Initiative aus dem Jahr 2011 und empfiehlt ein komplexes Versorgungsnetz für Geriatriepatienten.
Vor diesem Hintergrund wurde innerhalb des Evangelischen Verbundes Ruhr das EVR Netzwerk Geriatrie gegründet - ein Zusammenschluss der beteiligten Fachkliniken, der Kliniken für Geriatrie mit stationären, teilstationären Angeboten und ambulanten Partnern und Kooperationen mit stationären Pflegeheimen, ambulanten Pflegediensten und niedergelassenen Vertragsärzten mit dem Ziel einer Versorgung und Betreuung der älteren Menschen durch intensive Vernetzung und Bündelung von Kompetenzen und einer Weiterentwicklung der regionalen Versorgungsstrukturen.
Unser Anliegen ist es, das EVR Netzwerk Geriatrie gemeinsam mit neuen Partnern auszubauen und auch jederzeit mit weiteren interessierten nicht-geriatrischen Kliniken im Versorgungsverbund zu kooperieren.
Ein Netz – viele Partner
Zentrale Knotenpunkte im EVR Netzwerk Geriatrie im Evangelischen Verbund Ruhr sind das Evangelische Krankenhaus Castrop-Rauxel und das Evangelische Krankenhaus Witten mit ihren Kliniken für Geriatrie. Beide Kliniken sind spezialisiert auf die medizinische Behandlung des mehrfach erkrankten älteren Patienten. Neben einer Akutbehandlung, der geriatrischen Frührehabilitation und einer geriatrischen Tagesklinik bieten beide Häuser mit ihren zusätzlichen Schwerpunkten Gerontopsychiatrie und Gerontopsychosomatik auch die Versorgung Demenzerkrankter.
Die umfassende geriatrische Kompetenz der Akteure im EVR Netzwerk Geriatrie:
- 3.900 stationär behandelte geriatrische Patienten pro Jahr in den Kliniken für Geriatrie
- Multiprofessionelle Teams bestehend aus 26 Ärzten, 92 Pflegekräften und 30 Therapeuten
- Kooperationen mit 24 Seniorenheimen
- Kooperationen mit Krankenhäusern und ambulanten Pflegediensten in den Regionen Bochum - Castrop-Rauxel - Dortmund - Gelsenkirchen – Herne - Herdecke - Witten
Unsere Struktur
Identifizierung durch ISAR-Screening
Wann ein Patient als geriatrischer Patient gilt und damit das EVR Netzwerk Geriatrie greift, wird in den Krankenhäusern bei der stationären Aufnahme durch das ISAR-Screening festgestellt. Die Abkürzung ISAR steht für „Identification of Seniors at Risk“. Durchgeführt wird das Screening bei allen Patienten, die älter als 75 Jahre sind. Bei dem Screening handelt es sich um einen Fragebogen, der 6 Punkte umfasst. Werden mehr als zwei Fragen positiv beantwortet, so erfolgen weitere Untersuchungen, um festzustellen, in welchem Ausmaß der betroffene Patient geriatrischen Versorgungsbedarf hat und von einer geriatrischen Komplexbehandlung profitieren könnte.
Die Komplexbehandlung zeichnet sich nicht nur durch eine spezielle medizinische, pflegerische und therapeutische Versorgung aus, sondern auch durch das Miteinbeziehen von Demenzbeauftragten, Betreuungsassistenten, Familialer Pflege und den Angehörigen des Patienten.
Hinzu kommt ein besonders gestaltetes bauliches Umfeld, das durch Barrierefreiheit und eine altersgerechte Ausstattung der Krankenzimmer und Sanitärräume den Bedürfnissen der Patienten während des stationären Aufenthaltes gerecht wird.
Regelhafte Abläufe – Liaisonkräfte
Ist ein Patient als geriatrischer Patient identifiziert, übernehmen es Liaisonkräfte in unseren Krankenhäusern, alle weiteren Maßnahmen zu einer bedarfsgerechten Versorgung einzuleiten. Bei den Liaisonschwestern bzw. -pflegern handelt es sich um geriatrisch weitergebildete und geschulte (Pflege-)Fachkräfte, die sich u.a. um die Einbeziehung weiterer relevanter Berufsgruppen kümmern wie Therapeuten, Ernährungsberatung oder Sozialdienst. Sie sprechen aber auch die Empfehlung für ein geriatrisches Konsil aus und nehmen Kontakt zu den Ärzten, den Angehörigen sowie zu stationären oder ambulanten Einrichtungen, wie z.B. Pflegediensten auf.
Standardisiertes Überleitungs- und Entlassmanagement
Ein für alle Kooperationspartner standardisiertes und an den Bedürfnissen der Patienten orientiertes Überleitungs- und Entlassmanagement gewährleistet optimale Kommunikationswege. In sämtlichen Einrichtungen, die zum EVR Netzwerk Geriatrie gehören, gibt es offiziell benannte Ansprechpartner.
Die Kontaktdaten dieser Ansprechpartner sind auf einer zentralen Liste verzeichnet, um so eine schnelle Kommunikation zu ermöglichen. Darüber hinaus hat der Verbund Überleitungsmappen für die Patienten in Signalfarben entwickelt, in denen die jeweils für den Patienten erforderlichen Unterlagen gesammelt und bei der Weiterversorgung übergeben werden. So ist eine zuverlässige Informationsübermittlung gewährleistet.
Qualität
Zur Qualitätssicherung und Evaluation des Behandlungsprozesses wurden Qualitätsindikatoren festgelegt und neben Teambesprechungen regelmäßige Dialoge zwischen den Netzwerk-Kooperationspartnern auch Qualitätszirkel als zusätzlicher Kommunikationsweg eingerichtet. Hier findet ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch statt, um die laufende Arbeit zu unterstützen und gleichzeitig kontinuierlich an einer Weiterentwicklung der Abläufe innerhalb des Netzwerks zu arbeiten.
Im Bereich der nicht-ärztlichen Heilberufe wurde eine erste Forschungskooperation mit der Hochschule für Gesundheit gebildet, um gemeinsam eine optimale Versorgung des geriatrischen Patienten und deren Outcome zu evaluieren.
Unsere Liaisonkräfte
Die Liaisonkraft bildet das Bindeglied im EVR Netzwerk Geriatrie für die einzelnen Bereiche, um auf diese Weise die optimale Versorgung und Vernetzung für geriatrische Patienten zu bewirken.